Bericht des Zuchtwartes über Westfälische Totleger

Pflichtübung oder Herausforderung?

 

Westfälische Totleger – ein besonderes Kulturerbe

 

Mein erster Kontakt mit diesem Mitglied aus der Familie der Sprenkelhühner sollte meinen weiteren züchterischen Werdegang maßgeblich beeinflussen. Nachdem ein Züchter meines Ortsvereines mir einige Bruteier des silbernen Farbschlags übergeben hatte, um diese in meiner Brutmaschine auszubrüten, vernahm ich erstmalig den Namen Westfälische Totleger. Mein Interesse war geweckt, denn allein der Begriff Totleger war mit einem dicken Fragezeichen versehen. Umgehend besorgte ich mir Informationen u. a. Bilder und Berichte von dieser imposanten Hühnerrasse und wartete voller Spannung auf den Schlupf. Am Ende des 20. Tages kam Bewegung in den Schlupfbrüter. Als dann die ersten Küken geschlüpft waren, wollte ich meinen Augen nicht trauen, denn, dass diese unscheinbaren, kleinen mit bräunlichem Flaumgefieder und fast oliv farbigen Beinchen ausgestatteten zarten Körper, die mit ihren dunklen Knopfaugen sehr lebhaft ihre neue Umgebung musterten, sich einmal zu einer Rasse mit einem ausgeprägten Charisma entwickeln würden, konnte sich in meinen Gedanken nicht manifestieren. Allerdings wurde ich im weiteren Verlauf des Wachstums dieser Tiere eines Besseren belehrt, zumal ein Hahn aus dieser Schar, der bestechend in der Figur und mit einer exzellenten silbernen Grundfarbe und einer zusagenden schwarzen Sprenkelung ausgestattet war und auch sonst in den weiteren Rasseattributen allen Anforderungen der Musterbeschreibung entsprach, auf der „Nationalen“ mit dem Siegerband ausgezeichnet wurde. Von diesem Tag an wurde ich zum ständigen Begleiter dieser wunderschönen Hühnerrasse. Willi Dercks aus Telgte, der überaus aktive Vorsitzende des SV der Westfälischen Totleger verstand es darüber hinaus, mich an den Sonderverein zu binden.

Entwicklung bis hin zum vollendeten Ausstellungstier

Doch genug der einleitenden Worte, auch über die Entstehung dieser leistungsstarken, aparten Hühnerrasse sind schon ausführliche Berichte geschrieben worden, daher möchte ich über einige Besonderheiten im Hinblick auf eine erfolgreiche Aufzucht und Weiterentwicklung bis hin zum fertigen Ausstellungstier berichten. Die Legeleistung dieser „Leistungsrasse“, die sich schon im Namen wieder spiegelt, wird von jedem Züchter selbst beeinflusst. In der so genannten Ruheperiode, die der Brutzeit vorgelagert ist, wird der Grundstein zu einer niedrigen oder hohen Legeleistung eingebettet. Wer zu diesem Zeitpunkt Fütterungsfehler macht wie z.B. Standfutter, reichlich Kohlehydrate, alles in Allem ein Überangebot an Fett bildenden Stoffen den Tieren vorsetzt, wird in Punkto Legemenge und Befruchtung eine negative Erfahrung machen. Die beste Voraussetzung einer optimalen Versorgung bietet natürlich der unbegrenzte Auslauf, der dieser etwas lebhaften Rasse entgegenkommt. Mineralien, Vitamine, Würmer und Kerbtiere können so in der erforderlichen Menge von den Tieren aufgenommen werden. Am späten Nachmittag wird dieser Menüplan  mit wenig Braugerste, die mit einem dünnen Film von mit Vitamin E angereichertem Speiseöl benetzt ist, ergänzt. Wichtig ist hierbei allerdings, dass man nur soviel Körner zubereitet, wie bei dieser Fütterung aufgenommen werden. Wer den Hühnern diese Selbstversorgung nicht bieten kann, sollte ihnen reichlich Grünfutter, Möhren (letztere geraspelt und mit einigen Tröpfchen Öl versetzt), eine fertige Mineralienmischung wie Futterkalk sowie ein wenig Knochenmehl vorsetzen. Ergänzt wird dieser Speisezettel wie schon bei der Freilaufhaltung mit ummantelter Gerste. Bei einer derartigen Behandlung ist der Bruterfolg vorprogrammiert. Nach erfolgtem Schlupf sollte man den Küken ein mit ätherischen Ölen versetztes Trinkwasser anbieten, (z.B. Mentofin), da Kokzidien durch diese Wasseraufbereitung der Nährboden entzogen wird. Ein wertvoller Helfer bei der Aufzucht ist gerade bei den Totlegern das Kükenmehl. Es verhindert eine schnelle Sättigung unserer uns anvertrauten Lieblinge, denn wie fast keine andere Rasse sind sie anfällig für die Unart des Federfressens. Etwas Speisesalz in der Trinkwasseraufbereitung (1/2 Teelöffel/Ltr.) unterstützt uns in der Bekämpfung dieses vorgenannten Lasters. Weiterhin sollte eine direkte Sonneneinstrahlung in den Scharrraum vermieden werden. Eine dunkle Fensterfolie kann hier für Abhilfe sorgen. Spätestens im Alter von vier bis fünf Wochen gewährt man den Küken einen unbegrenzten Zugang zu einer Kältezone, doch ist hierbei darauf zu achten, dass unsere Zöglinge jederzeit die Wärmequelle wieder erreichen können. Nun beginnt eine weitere Phase der Entwicklung der Küken, denn bis zu diesem Zeitpunkt hat ein ausgewogenes Kükenmehl, welches mit Futterkalk, Grünfutter und Möhren ergänzt wurde, den Nahrungsbedarf unserer Kleinen recht gut abgedeckt, doch jetzt ist es an der Zeit an den Knochenbau und an das zukünftige neue Gefieder zu denken. Bei den Westfälischen Totlegern besteht bei nicht wenigen Tieren die Neigung zu einer so genannten Knochenweiche, erkennbar bei ausgewachsenen Tieren an den nach außen driftenden Fersengelenken und an den nicht immer gerade verlaufenden Zehen. Hier sorgt eine rechtzeitige Zufütterung von Knochenmehl für Abhilfe. Sobald die ersten neuen Federn gebildet werden, sollte als Zugabe unbedingt Biotin (in geringer Menge schon im herkömmlichen Kükenfutter vorhanden) verabreicht werden. Biotin übt einen nicht zu unterschätzenden positiven Einfluss auf die Gefiederbildung aus. Die Bronzestreifen, die sich in den schwarzen mit Grünlack bestückten Gefiederteilen einschleichen und nicht gerade zur Schönheit dieser Tiere beitragen, werden weitgehend verhindert. Wer all diese Gegebenheiten befolgt, kann sich nun beruhigt an dem weiteren Werdegang seiner Tiere erfreuen.

Kräftige Landhuhnform

Im weiteren Verlauf möchte ich mich nun den beiden Hauptrassemerkmalen zuwenden. Diese sind a) die Körperform und b) die Farbe und Zeichnung. Es wird eine kräftige Landhuhnform mit mittel hoher Stellung verlangt. Im Klartext werden ein walzenförmiger, voller, tiefer abgerundeter Rumpf und dementsprechend eine volle, gut gerundete Brust, ein breiter, voller Bauch sowie abgerundete Schultern gefordert. Dieser Körper wird von graublauen Läufen getragen.

Die Worte mittelhoch, mittellang und mittelgroß ziehen sich wie ein Leitfaden durch die Forderungen der Musterbeschreibung. Daraus ergibt sich, dass wir in der Form eine harmonische Einheit erwarten, ohne extreme Ausuferungen. So sitzt der mittelgroße Kopf auf einem mittellangen Hals, dessen Zierde der reiche Behang ist. Der mäßig lange, gerade, etwas abfallende Rücken endet in einem vollen Sattel. Der lange, volle, in stumpfem Winkel (ca. 120 Grad) getragene Schwanz wird von breiten, gut gebogenen, abgerundeten Sicheln abgedeckt. Eine flache Schwanzhaltung ist ebenso falsch wie ein überzogener Eichhornschwanz, doch gilt eine nahezu rechtwinklige Schwanzhaltung nicht als grober Fehler. Kräftige, fest anliegend getragene Flügel unterstreichen das Verlangen nach fest anliegendem Gefieder. Die Forderung nach einem roten, mit Federchen besetzten Gesicht mit dunkelbraunen Augen, einem kleinen, fein geperlten Rosenkamm mit einem geraden oder leicht geneigten Dorn, mittellangen Kehllappen, kleinen runden bläulichweißen Ohrscheiben und einem kräftigen bläulichhornfarbenen Schnabel rundet die körperliche Eleganz dieser Rasse ab. Ergänzend sollte man zur Henne noch vermerken, dass hier der Körper eine weniger geneigte Walzenform mit einer vollen, tiefen Brust und einem gut entwickeltem Bauch darstellt. Ein etwas locker getragener Schwanz mit vollen, zwei Drittel des Schwanzes abdeckenden Schwanzbeifedern, etwas weniger hervortretenden Schenkeln sowie in der Größe reduzierten Kopfpunkten runden diese leichten Unterschiede ab.

Resümee der vorgenannten Forderungen an die Körperform ist nicht nur die Ablehnung der hoch stehenden fasanenartigen Tiere mit flacher Brust sondern auch die der überdimensionierten Vertreter mit kantigem Körperbau und groben Knochen. Deutliche Über- und Unterschreitung der Gewichtsgrenzen, die beim Hahn mit 2 bis 2,5 kg und bei der Henne mit 1,5 bis 2 kg angesetzt sind, sollten ebenfalls bei einer Abstufung zum Ausdruck kommen; hier sollte vom Preisrichter konsequent die rote Karte gezogen werden. Bei Abweichungen zu den übrigen Anforderungen der Musterbeschreibung sollte man mit Augenmaß differenzieren.

Grundfarbe Silber oder Gold – Zeichnungsfarbe Schwarz

Doch nun zum I-Tüpfelchen dieser Rasse aus der Gruppe der Sprenkelhühner. Was wäre alle Eleganz ohne Verbindung zu einem herrlichen Farb- und Zeichnungsspiel. Ein besonderes Gen bewirkt die klare Sprenkelung. Wir haben es hier mit zwei Faktoren zu tun: Schwarz für die Zeichnung und Silber bzw. Gold für die jeweilige Grundfarbe.

Doch fangen wir bei dem silbernen Farbenschlag an. Wenn wir vom Idealfall ausgehen, sollten beim Hahn der Halsbehang, die Schultern und der Sattel rein silberweiß, der Schwanz schwarz mit angedeuteter Sprenkelung am Rande der Sichelfedern sein und das übrige Gefieder inkl. der Nebensicheln mit unregelmäßiger schwarzer Sprenkelung, die sich im Flaumgefieder des Bauches dunkelgrau verliert, versehen sein. Aber die Wirklichkeit sieht etwas anders aus. Bei extremer Auslegung dieser Forderung verliert sich das Silber in der ansonsten dunkelgrauen Untergefiederfarbe, was zur Folge hat, dass schilfige Steuerfedern, nicht gewünschte durchgezeichnete Hauptsicheln, reduzierte Brustzeichnung und im schlimmsten Fall fehlende oder mangelhafte Hand- und Armschwingenzeichnung das verlangte Zeichnungsbild negativ verändern. Die Forderung nach reinem Halssilber beim Hahn muss schon erfüllt werden, doch sollten hinsichtlich Sattel- bzw. Rückensilber leichte Abweichungen erlaubt sein. Keine Zugeständnisse sollten bei stark schilfigen Steuerfedern und bei fehlender Hand- und Armschwingenzeichnung gemacht werden. Denn bei Einsatz eines solchen Hahns in der Zucht wird, selbst bei einer Ausgleichspaarung mit überzeichneten Hennen, dem Züchter ein dornenreicher Weg vorprogrammiert. Selbstverständlich sind Gegebenheiten wie gelber Anflug, grobe Flockung und markante durchgehende Bänderung ebenfalls nicht zu tolerieren. Im Gegensatz zum Hahn wird bei der Henne im unteren Halsbehang eine leichte Sprenkelung gestattet. Das übrige Gefieder ist viel feiner gesprenkelt als beim Hahn. Eine Henne mit vollendetem Zeichnungsbild sollte in der Draufsicht bei geöffneten Schwingen in der Decken- und Rückensprenkelung ein einheitliches Bild, ohne irgendwo abzusetzen, vorweisen. Die Sprenkelung zieht sich in den Steuerfedern bis zur Spitze hinauf, die aber schwarz ist. Während bei schwach gezeichneten Schwingen je nach Zeichnungsintensität noch „sg“ gewährt werden kann, sollte bei fehlender Zeichnung eine totale Rückstufung in der Qualitätsnote erfolgen. Häufig vorkommende zurückgedrängte Zeichnungsfarbe auf den Decken und der Brust bewirkt, je nach Schwere, eine Rückstufung. Moosige, spinnenartige, in die Sprenkelung laufende Grundfarbe, meist im Rücken- und Sattelbereich angesiedelt, gehört ebenfalls zu den unerwünschten Ausuferungen der Sprenkelzeichnung. Dass natürlich grobe Flockung und markante Bänderung ebenfalls zu einer totalen Abstufung führen müssen, sei in diesem Zusammenhang noch einmal erwähnt.

Wenn man eine Parallele zum goldenen Farbenschlag zieht, haben wir einmal als Besonderheit die goldbraune Farbe des Hahns. Ohne lehmig oder rot zu wirken, ist hier ein Farbspiel erlaubt, doch ist im Gesamtbild Gleichmäßigkeit angesagt. Bei der Henne ist die Grundfarbe eine Nuance heller, doch ist hier ein lehmiger Ton ebenfalls unerwünscht. Abweichend vom silbernen Farbenschlag wird Weiß in den Schwingen nicht toleriert.

Wer meine Zeilen als Anregung bzw. Leitfaden für die Aufzucht und oder Selektion seiner Westfälschen Totleger versteht, wird in jedem Wettbewerb auch recht gute Karten haben. Von unseren SV-Mitgliedern bin ich in dieser Hinsicht überzeugt, da sie keine Vermehrer sondern Züchter unserer exquisiten Rasse sind und Anregungen bei ihnen auf fruchtbaren Boden fallen und auch umgesetzt werden. Eine sehr große Bitte habe ich an alle Aussteller. Schmückt jeden Wettbewerb, an dem ihr mit euren Westfälschen Totlegern teilnehmt, mit Tieren, die von der optischen Erscheinung, besonders vom Pflegezustand her, dieser Spitzenveranstaltung Rechnung tragen. Es ist nun einmal so, dass wir unsere Schauen immer mehr in den Blickpunkt der allgemeinen Öffentlichkeit stellen. Dadurch haben wir Erklärungsbedarf, warum gerade das gepflegte Tier mit einem Ausschlussfehler die Note „u“ bekommt, während das evtl. mit allen Rasseattributen in Vollendung ausgestattete Ungepflegte eine hohe Note erhält. Im Vornherein schon einmal mein Dank für euer Verständnis.

Weiterhin möchte ich gerade bei jedem Wettbewerb ein besonderes Fair Play einfordern im Umgang der Züchter miteinander. Neid und Missgunst haben in unserem Sport keinen Platz. Hier sollte all jenen, die diese höchste aller Spielregeln nicht beachten, die rote Karte gezeigt werden, denn nur dann wird auch die Zeit danach Früchte tragen und dieser Rasse und dem SV den ihnen zustehenden hohen Stellenwert einräumen.

 

Gerhard Thiemeyer, Zuchtwart

 

 

 

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